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Isabel Schnabel
Member of the ECB's Executive Board
  • INTERVIEW

Interview mit ARD Plusminus und tagesschau.de

Interview von Isabel Schnabel, Direktoriumsmitglied der EZB, geführt von Steffen Clement am 16. Mai 2024

24 May 2024

Am 6. Juni wird der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) das nächste Mal über die Höhe der Zinsen entscheiden. Wird dann die Zinswende beginnen?

Jede Entscheidung wird am Tag der EZB-Sitzung auf Basis aller bis dahin verfügbaren Informationen getroffen. Es gibt noch eine ganze Reihe von Daten, die wir erwarten. Insofern steht die Entscheidung erst am Tag der EZB-Ratssitzung fest. Wenn der Inflationsausblick und die neuen Daten uns darin bestärken, dass die Inflation nachhaltig auf unser Ziel von zwei Prozent zurückkehren wird, dann ist eine Zinssenkung im Juni wahrscheinlich.

Welche Auswirkungen erwarten Sie für Sparer und Kreditnehmer?

Wenn eine Zinsentscheidung weithin erwartet wird, passen sich die Marktpreise schon im Vorfeld an. Das heißt: Wenn die Zinsentscheidung gemäß der allgemeinen Erwartung fällt, dann dürfte sich eigentlich nichts ändern, weil das bereits eingepreist ist. Wer heute einen Immobilienkredit aufnimmt, zahlt schon jetzt weniger Zinsen als noch vor einigen Monaten. Denn die Marktakteure erwarten schon länger, dass die Zinsen im Juni gesenkt werden.

Wenn jetzt die Zinswende kommen sollte: Wird es dann in den nächsten Monaten noch weitere Zinssenkungen geben?

Wir sind mit dem spürbaren Rückgang der Inflation zufrieden, aber der Weg zurück zur Preisstabilität ist holprig. Wir sehen, dass ein Teil der Inflation sehr hartnäckig ist, vor allem bei der inländischen Inflation und da insbesondere bei den Dienstleistungen. Wir beobachten das genau und sollten uns genügend Zeit lassen. Ich möchte davor warnen, in zu schnellen Schritten voranzugehen. Denn es besteht die Gefahr, dass man die Zinsen zu schnell senken könnte. Das sollten wir auf jeden Fall vermeiden.

Die Inflation geht inzwischen immer weiter zurück. Welchen Anteil hat die EZB daran?

Wir hatten einen Höchststand der Inflation im Euroraum von 10,6 Prozent im Oktober 2022. Inzwischen ist die Inflation auf einen Wert von nur noch 2,4 Prozent gefallen – das ist in der Tat sehr erfreulich. Natürlich ist nicht alles auf die Geldpolitik der EZB zurückzuführen. Denn zunächst einmal haben sich einige der preistreibenden Faktoren umgekehrt, insbesondere bei den Energiepreisen. Darauf hat die Geldpolitik naturgemäß wenig Einfluss. Aber gleichzeitig haben die steigenden Zinsen das Kreditwachstum gedämpft. Das hat zu einem Rückgang der Inflation bei Gütern und Dienstleistungen beigetragen.

Zinserhöhungen belasten normalerweise die Konjunktur. Wie fällt da Ihre vorläufige Bilanz aus?

Wir sehen inzwischen eine leichte Belebung der Wirtschaft im Euroraum. Gleichzeitig geht die Inflation nach wie vor zurück. Insofern kann man die Hoffnung haben, dass es uns gelingen wird, zur Preisstabilität zurückzukehren, ohne dass es zu einer Rezession kommt. Dennoch war die wirtschaftliche Entwicklung im vergangenen Jahr schwach, wir hatten eine Stagnation. Das hat allerdings teilweise auch mit strukturellen Faktoren zu tun, zum Beispiel mit den längerfristig höheren Energiepreisen oder der stärkeren Konkurrenz aus China.

Schon in den 1970er Jahren gelang es den Notenbanken, mit Zinserhöhungen die Inflationsrate erst einmal zu senken. Doch dann stieg die Inflation wieder. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Man sollte auf jeden Fall vorsichtig sein und die Daten genau beobachten, um rechtzeitig zu erkennen, wenn die Inflation sich nicht so entwickelt, wie wir es jetzt erwarten. Allerdings ist die Gefahr von Lohn-Preis-Spiralen heute geringer als in den 1970er-Jahren. Die Zentralbanken genießen heute eine viel größere Glaubwürdigkeit und es gibt weniger automatische Lohnanpassungen an die Inflation. Insofern glaube ich nicht, dass die heutige Zeit mit den 1970er-Jahren vergleichbar ist.

Doch den Gewerkschaften gelingt es, kräftige Lohnerhöhungen durchzusetzen. Droht eine Lohn-Preis-Spirale?

Unser zentrales Ziel ist es, eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern, also ein sich gegenseitiges Aufschaukeln von Löhnen und Preisen. Das hängt einerseits vom Lohnwachstum ab und andererseits davon, inwiefern die Unternehmen die gestiegenen Lohnkosten an die Verbraucher weitergeben. Das beobachten wir genau. In der aktuellen Situation sehen wir, dass die Löhne kräftig angestiegen sind, dass sich aber das Lohnwachstum allmählich verlangsamt. Das ist im Einklang mit unseren Prognosen. Daher sind wir zuversichtlich, dass wir im Jahr 2025 auf das Inflationsziel von zwei Prozent zurückkehren werden.

Dieses Inflationsziel war zwischenzeitlich in weiter Ferne.

Ein zentraler Grund, warum es uns gelungen ist, die Inflation zu stabilisieren, ist, dass wir es geschafft haben, die Inflationserwartungen zu stabilisieren. Das heißt: Obwohl die Inflation bis in den zweistelligen Bereich gestiegen ist, haben die Menschen uns nach wie vor vertraut, dass wir die Inflation auf das Zwei-Prozent-Ziel zurückbringen werden. Dieses Vertrauen sollten wir nicht enttäuschen.

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